Eigene Stärken und Ressourcen sind in der aktuellen Situation gefragter denn je – auch in den Unternehmen: Die Lernwerkstatt Olten hat ihr Angebot dementsprechend ausgebaut und vermittelt ihren Studierenden wichtige Kompetenzen zur Erweiterung der eigenen und Förderung der organisationalen Resilienz. Regina Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung, gibt einen Einblick in die Welt des Coachings.
Die Arbeitswelt ist im Umbruch, vor allem für den Bereich Coaching steigt die Nachfrage rasant. Beobachten Sie das bei der Lernwerkstatt Olten auch und auf was führen Sie diesen Trend zurück?
Regina Widmer: Die Menschen sind auf der Suche nach neuen Perspektiven bedingt durch ein zunehmend instabiles Umfeld. Coaching ermöglicht Orientierung und hilft, sich auf das Wesentliche und Beeinflussbare zu konzentrieren. Bedingt durch die um sich greifende Digitalisierung ist vieles im Wandel – stetig und zunehmend überraschend. Arbeitgeber und -nehmer sind verunsichert durch die sich steigernde Komplexität. Deshalb haben wir unser Angebot ausgebaut und vermitteln unseren Studierenden wichtige Kompetenzen zur Erweiterung der eigenen und organisationalen Resilienz.
Wann ist es angebracht, sich als Coach oder Mentor weiter zu bilden?
Coaching lädt ein, sich mit der eigenen Haltung, seinen Werten und Motiven auseinanderzusetzen. Was hat Bedeutung und ist handlungsleitend im Umgang mit anderen, bei der Arbeit? Welches Menschenbild vertrete ich? Wovon bin ich überzeugt? Diese Fragen stehen am Anfang unserer Coachinglehrgänge. Wer sich also mit solchen oder ähnlichen Fragen auseinandersetzt liegt genau richtig mit einer Coachingausbildung. Viele unserer Lehrgangsteilnehmenden sind auch bereits als Coach, Jobcoach oder Lernbegleiter/in tätig und wollen ihre Begleitungsarbeit professionalisieren und wirksamer gestalten. Oder sie sind Führungskräfte, die ein agiles – also zeitgemässes – Führungsverständnis leben möchten.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten bezüglich Coaching/Mentoring gibt es bei der Lernwerkstatt Olten?
Bedingt durch unseren sehr heterogenen Teilnehmerkreis bauen wir unser Coaching-Angebot laufend aus. Besonders beliebt ist der Basis-Baustein «Ressourcenorientiertes Coaching». Hier vermitteln wir nebst den Coaching-Basics eine ressourcenfördernde Arbeitsweise, welche auf Stärken und Ressourcen der Kunden und deren Umfeld basiert. Damit liegt der Fokus des Coachees auf dem Möglichen und Machbaren. Darauf aufbauend erweitern die Studierenden mit dem Besuch des Bausteins «lösungsfokussierte Prozessbegleitung» den kreativen Raum für konkrete Schritte und Massnahmen und ermöglichen ihren Coachees so, ihre Energie zu bündeln und bewusst ihre Zukunft zu gestalten.
Wo werden die Schwerpunkte bei diesen Lehrgängen gelegt?
Wir bilden Coachs und Begleitungspersonen von Einzelpersonen aus. Unsere Absolventinnen und Absolventen unterstützen ihre Kunden in deren Lern-, Veränderungs- oder Entwicklungsprozessen. Die begleiteten Personen sollen dabei selbstbestimmter werden und ihre Selbstwirksamkeit erleben. Wie bereits aufgeführt, soll dabei die Ressourcen- und Lösungsorientierung ein Schwerpunkt sein.
Corona hat sich als Digitalisierungsbooster bewiesen. Welche Rolle spielt der Einsatz von technischen Tools beim Coaching?
Online-Coaching funktioniert für viele Coachs und Coachees überraschend gut, ist mit dem Wegfall der Reisezeiten viel zeitsparender und flexibler planbar. Unsere Kursleitenden punkten bei unseren Studierenden mit Tipps und Tricks für das online-Format. Auch ist das online-Setting ein wertvolles Übungsfeld fürs aktive Zuhören und Beobachten, zumal viel Ablenkung vom vor-Ort-Setting wegfällt.
Welche Kompetenzen sollten professionelle Coaches oder Mentoren mitbringen, respektive eignet sich jeder als Coach oder Mentor?
Grundsätzlich ist Coaching lernbar. Es handelt sich dabei jedoch nicht um etwas, das sich einmal aneignen und immer wieder gleich reproduzieren lässt. Die Begleitung von Menschen ist viel komplexer und erfordert ein systemisch-konstruktivistisches Grundverständnis, welches uns die «Kompetenz des Nichtwissens» näherbringt. Als Coach geben wir keine Ratschläge, sondern unterstützen die Ratsuchenden mit offenen, zielführenden Fragen, eigene Lösungen zu finden. Als Coach sind wir unseren Coachees ein aufmerksames, achtsames Gegenüber und dienen so als Resonanzkörper, halten ihm einen Spiegel auf, damit er sich erkennt. Wertschätzung und empathische Anteilnahme sind dabei wichtige Helfer während eines Begleitungsprozesses.
Was läuft im Gespräch zwischen zwei Menschen ab?
Ein Gespräch ist im Idealfall ein Dialog zwischen zwei Menschen, das heisst, dass sich beide in etwa gleichen Anteilen einbringen. Dabei gibt es verschiedene Formen eines Gesprächs – je nach Anlass und Ziel. Carl Rogers (amerikanischer Psychologe, 1902-1987) prägte die heutige Form des Coachinggesprächs wesentlich. Er gab der Beziehungsqualität zwischen der Begleitungsperson und dem/der Ratsuchenden eine zentrale Bedeutung. Solange diese geprägt ist von Wertschätzung, Empathie und Echtheit (Kongruenz) sind beide im idealen Rahmen miteinander verbunden, besteht ein Klima des Vertrauens und der gegenseitigen Annahme. In dieser stimmigen Atmosphäre ist Lernen und Wachstum möglich, kann Veränderung passieren.
Was macht eine gute Gesprächsführung aus?
Man hört einander aufmerksam zu, fragt nach und klärt Unverstandenes. So schützen sich die Gesprächspartner vor falschen Annahmen oder Fehlinterpretationen. Als Coach orientiert man sich zudem an dem mit dem Coachee vereinbarten Kontrakt, das heisst an der Zielvereinbarung und lenkt das Gespräch auf das so definierte Ziel.
Betriebliches Coaching wird immer wie wichtiger. Was sind die Merkmale dieser Art von Coaching und wie profitieren Unternehmen davon?
Je nach Auftrag handelt es sich hier oft um einen Dreiecksvertrag, das heisst die Geschäftsleitung beauftragt einen Coach oder einen betriebsinternen Mentor bzw. eine betriebsinterne Mentorin, Einzelpersonen in deren Problemfeldern zu begleiten. Dabei ist auch der organisationale Rahmen mit einzubeziehen: Was beschäftigt aktuell am meisten? Welche kulturellen Veränderungen sind im Gang? Welche organisatorischen Ziele sind zu erreichen? Diese und andere Themen haben direkten Einfluss auf die Arbeit mit dem Kunden. Gelebte Allparteilichkeit ist hier von besonderer Bedeutung. Ein Unternehmen profitiert unter anderem davon, dass sich die Mitarbeitenden so weiterentwickeln und weiterhin ihr Bestes für deren Ziele geben. Es ist also eine Investition für die Zukunft.
Wie meistert der Coach den Spagat zwischen menschlicher Nähe und professioneller Distanz?
Das ist wahrhaftig eine Kunst und ist nur mit hoher Präsenz, Achtsamkeit und Bewusstheit zu meistern. Diese Balance zu beherrschen erfordert viel Gespür und eine hohe Reflexionsfähigkeit.
Die Pandemie hat bei vielen Menschen an den Nerven gezerrt. Braucht ein Coach zurzeit mehr Fingerspitzengefühl?
Ja, die Nerven liegen vielerorts blank – zumal jetzt noch die
Ukraine-Krise dazukommt.
Welche beruflichen Möglichkeiten stehen einem als Coach offen?
Je nach Ausbildungsstand und Erfahrung können sich unsere Studierenden in Richtung Selbstständigkeit oder Teilselbstständigkeit entwickeln. Dies ist der Traum vieler. Und da lohnt sich definitiv ein Coaching – zum Abwägen von Chancen und Risiken.
Interview: Corinne Remund
ZUR PERSON
Regina Widmer ist bei der Lernwerkstatt Olten zuständig für die Organisations- und Personalentwicklung und leitet den Bereich Coaching/Mentoring. Als Betriebsökonomin hat sie vor über 20 Jahren via Qualitätsmanagement die Passion für die Optimierung von Organisationsstrukturen und die Förderung von Mitarbeitenden entdeckt. Nach der Höheren Fachprüfung zur eidg. dipl. Betriebsausbilderin und Weiterbildung zur BSO anerkannten Organisationsberaterin/Coach sammelte Regina Widmer parallel zu ihrem Engagement bei der Lernwerkstatt über mehrere Jahre Erfahrungen als Beraterin in Aus- und Weiterbildungsinstituten sowie in öffentlichen Spitälern und Privatkliniken.